...
Gestern war heute schon morgen
Zu Geschichte und Gegenwart moderner Architektur, Stadt- und Verkehrsplanung
Eine Filmreihe kuratiert von Alexandra Weigand und Florian Wüst

14. Juli / 28. Juli / 4. August 2015
C 9 im MaximiliansForum, Unterführung Maximilianstraße 31 (Altstadtring), 80539 München



Hauptstadt Berlin, John McHale, 1959

Gestern war heute schon morgen widmet sich dem gegenwärtigen Gebrauchswert moderner Architektur, Stadt- und Verkehrsplanungen, die als Symbol und Ausdruck des technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in der Vor- und Nachkriegsmoderne entstanden sind. Mit der dreiteiligen Filmreihe wird Bezug auf den Veranstaltungsort selbst genommen: ein Kunstraum in einer unterirdischen Fußgängerpassage, die im Zuge moderner Stadtplanung Ende der 1960er Jahre erbaut wurde und deren Fortbestehen immer wieder in Frage gestellt wird.

Eine Veranstaltung im Rahmen des Projektes C 9, das sich über ein Jahr hinweg mit dem MaximiliansForum und seiner räumlich-kulturellen Positionierung im Untergrund der teuersten Straße Münchens beschäftigt.


14. Juli 2015, 20:00
Za Zelazna Brama, Heidrun Holzfeind, AT/PL/US 2009, 55'
Präsentiert von Alexandra Weigand

Wie lebt es sich heute in Gebäuden, die in der Nachkriegsmoderne als Symbol des sozialen Wohlstands und des technologischen Fortschritts entstanden sind? Heidrun Holzfeinds Film Za Zelazna Brama (Hinter dem Eisernen Tor) erlaubt einen Blick ins heutige Alltagsleben der Bewohner von 19 Wohnblocks, die in den 1960er Jahren im Herzen Warschaus nach modernistischen Prinzipien erbaut wurden. Dort, wo einst Arbeiter, Funktionäre, Akademiker und die Warschauer Intelligenzia zu Hause waren, leben heute vorwiegend Studenten, Pensionäre und junge Ehepaare. Die Bewohner – neu wie alt – öffnen ihre Wohnungen und sprechen über die Vorzüge und Nachteile einer Architektur, für die das Gesetz damals 11m2 pro Person vorsah. Und präsentieren nebenbei die ganze Bandbreite an Möglichkeiten im Umgang mit der einstigen Utopie – vom zeitgenössisch designten Apartment bis hin zur Wohnung, die zum privaten (Kriegs-)Museum geworden ist. Holzfeinds Dokumentation über das ehemalige Vorzeige-Viertel polnisch-kommunistischer Bauplanung stellt die Frage nach den gesellschaftlichen Idealen im Wandel der Zeit. Am Beispiel von „Za Zelazna Brama“ wird allerdings auch die Fähigkeit der Menschen gezeigt, soziale Architekturen zu schaffen, deren Qualität die gebaute Architektur überlagern kann.


28. Juli 2015, 20:00

Kreuzungsfrei und richtig
Ein Kurzfilmprogramm zur „autogerechten” Stadt der 1960er Jahre
Präsentiert von Florian Wüst

Nach der Beseitigung der Trümmer und der Bewältigung der dringendsten Wohnungsnot in den kriegszerstörten deutschen Großstädten rückte spätestens ab Mitte der 1950er Jahre die planvolle Neuordnung der Stadt in den Blick der Öffentlichkeit. Die „gegliederte und aufgelockerte Stadtlandschaft” galt als Leitbild für bessere Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung. Der industrielle Fortschritt und der damit verbundene wirtschaftliche und soziale Wohlstand zeigten sich nicht zuletzt im Aufstieg des privaten Autos zum Massenverkehrsmittel. Schnell kam die alte Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen und bedurfte der Modernisierung durch Tangenten, Ringstraßen, Über- und Unterführungen für Fußgänger. Denn nur wenn der Verkehr fließt, sei die Stadt gesund. Kreuzungsfrei und richtig kombiniert historische Dokumentar-, Lehr- und Experimentalfilme, die am Beispiel von München, Sennestadt, West-Berlin und London die Wahrnehmungen und Wirkungen der damaligen Mobilität „von morgen” veranschaulichen.

Menschen im Espresso, Herbert Vesely, BRD 1958, 16'
Fließender Verkehr in den Städten, Paul Zils, BRD 1964, 19'
Hauptstadt Berlin, John McHale, UK 1959, 12'
Großstadt mit Tradition und Zukunft, Beispiel: München, BRD 1963, 29'
Ferrari, Michael Klier, BRD 1965, 8'


4. August 2015, 20:00

Fort von allen Sonnen, Isa Willinger, DE 2013, 79'
Präsentiert von Alexandra Weigand

„Die Gebäude halten eine Botschaft für uns bereit. Wenn auch die letzten Bauwerke den Grundstücksspekulanten oder dem Verfall weichen, wird sie ausradiert.“ Isa Willingers Dokumentarfilm Fort von allen Sonnen begleitet den Kampf um den Erhalt avantgardistischer Architektur der 1920er Jahre in Moskau gegen Korruption, Abriss und Verfall: Eine Pensionärin kämpft für den Erhalt ihres Wohnhauses und der Druckerei nebenan, dem einzigen erhaltenen Gebäude von El Lissitzky; ein junger Künstler kämpft für seinen Traum, in einem der Gebäude eine Kommune aufzubauen und ein Architekt muss ein legendäres Architekturdenkmal umbauen, das er viel lieber erhalten möchte. Welche Botschaften bewahren die Bauwerke des Konstruktivismus, die im Geiste von Revolution und Vorkriegsmoderne entstanden sind? Und was bedeuten sie für die Gegenwart? Im Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart treten historische wie persönliche Utopien zum Vorschein und stellen die Frage, wann „morgen“ endlich heute sein wird.